Peinliche Turbulenzen im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (2024)

Peinliche Turbulenzen im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (1)

© APA/ROBERT JAEGER

Stadtrat Peter Hacker (SPÖ)

Wirtschaft

Trotz akribischer Untersuchungen blieb im KWP ein massiver Betrugsfall jahrelang unentdeckt. Und die von Stadtrat Hacker zu Unrecht geschasste Geschäftsführerin muss teuer ausbezahlt werden.

Man muss schon ziemlich skrupellos sein, um das zu tun, was Andrea Koflacher* getan hat. Möglicherweise auch etwas dämlich. Oder aber man ist völlig verzweifelt. Was davon zutrifft, wird vielleicht kommende Woche am Landesgericht für Strafsachen in Wien zu erfahren sein, wo Koflachers Fall verhandelt wird. Ihr wird ein nahezu perfektes Verbrechen zur Last gelegt: Die Mitarbeiterin in der Lohnverrechnung des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) soll in den vergangenen Jahren Gelder abgezweigt haben – völlig unbemerkt von Vorgesetzten, Kolleginnen und Controlling-Prozessen. In Summe soll sich Koflacher laut Anklageschrift um 360.000 Euro bereichert haben. Die Lohnverrechnerin, die damit ihre Spielsucht finanzierte, ist voll geständig. Für das Delikt – schwerer gewerbsmäßiger Betrug – drohen ihr ein bis zehn Jahre Haft.

Es ist nicht das erste Mal, dass das KWP die Justiz beschäftigt. Es handelt sich nicht um irgendein Unternehmen, sondern um eine Einrichtung der Stadt Wien, die in den Zuständigkeitsbereich von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) fällt und mit 4800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und über 9000 Bewohnerinnen und Bewohnern die größte Anbieterin für Seniorenbetreuung in Österreich ist. Im September 2020 berichtete profil exklusiv über eine Anzeige des Stadtrechnungshofes, damit verbundene staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und die bevorstehende Suspendierung der langjährigen KWP-Geschäftsführerin Gabriele Graumann. Die beiden Causen haben formal nichts miteinander zu tun. Und trotzdem stehen sie in einem Zusammenhang. Doch dazu später mehr. Während der Fall Koflacher noch gerichtsanhängig ist, wurde der Fall Graumann kürzlich zu einem für Stadtrat Hacker unrühmlichen und für die Stadt Wien wohl kostspieligen Abschluss gebracht.

Forensische Untersuchung

Die Umstände von Graumanns Rausschmiss waren einigermaßen seltsam. Nur wenige Tage nach dem profil-Bericht ließ Hacker die Geschäftsführerin in einer eilig einberufenen Vorstandssitzung vom Dienst suspendieren. Die damaligen Vorwürfe gegen das KWP waren ihm allerdings schon deutlich länger bekannt gewesen. Bereits im Jänner 2020 hatte der Stadtrechnungshof im Zuge einer Gebarungsprüfung bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung gegen „unbekannte Täter“ eingebracht, in welcher der Verdacht auf Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Untreue und Betrug geäußert wurde. Strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Graumann persönlich waren darin allerdings nicht formuliert. Außerdem war zum Zeitpunkt der Suspendierung die Prüfung des Anfangsverdachts durch die Staatsanwaltschaft Wien noch nicht abgeschlossen. Sprich: Es war noch gar nicht entschieden, ob überhaupt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Hacker beauftragte eine Anwaltskanzlei mit einer umfassenden Untersuchung der Vorwürfe. Im Februar 2021 präsentierte die Sozietät ihre Ergebnisse. Der Verdacht „gegen die Geschäftsführerin und weitere Mitarbeiter hinsichtlich vergaberechtlicher Missstände und Preisabsprachen“ habe sich im Zuge der Prüfung erhärtet, teilte der Stadtrat damals mit. Zudem seien „neue Vorwürfe hinzugekommen, zu denen Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft erfolgen werden“. Konkret wurde Graumann unter anderem angelastet, überhöhte Prämien in Höhe von 49.000 Euro bezogen zu haben. Sie selbst wies die Vorwürfe stets zurück. Der KWP-Vorstand (der sich aus Mitgliedern aller im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien zusammensetzt) beschloss aufgrund des Berichts der Anwaltskanzlei einstimmig Graumanns sofortige Entlassung.

Dass bei einer derart akribischen und intensiven Prüfung der Geldflüsse die Malversationen nicht früher aufflogen, ist einigermaßen erstaunlich.

Unter medialer Beobachtung

Man muss Andrea Koflacher also eine gewisse Chuzpe zugestehen. In genau dieser Zeit, als das KWP unter enormer medialer Beobachtung stand, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen liefen und eine Anwaltskanzlei im Unternehmen jeden Zettel umdrehte, begann die Lohnverrechnerin mit ihren mutmaßlichen Malversationen. Sie richtete auf die Namen von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern Konten ein, die jedoch ihr selbst zuzurechnen waren. Dorthin leitete sie die Gelder. Ihre erste Überweisung tätigte Koflacher Ende 2020, die forensische Untersuchung durch die Anwälte war damals im vollen Gange. Ihren Endbericht zum KWP legte die Sozietät im Sommer 2022 vor, darin war auch von einer Verschleierung der Kosten für Bauprojekte die Rede, wie die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete. Dass Koflacher bei einer derart akribischen und intensiven Prüfung der Geldflüsse nicht früher aufflog, ist einigermaßen erstaunlich. „Die externe Untersuchung durch die genannte Kanzlei hatte einen anderen Prüfschwerpunkt“, heißt es dazu seitens des KWP gegenüber profil. Erst im Februar dieses Jahres fielen einer Kollegin Koflachers Unregelmäßigkeiten auf, die Causa wurde zur Anzeige gebracht.

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Gabriele Graumann

Gabriele GRAUMANN, Geschaeftsfuehrerin des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhaeuser im Haus Augarten in 1020 Wien.03.09.2018

Gabriele Graumann

Die Staatsanwaltschaft Wien konnte keine Verfehlungen feststellen.

Voll des Lobes

Ebenfalls im heurigen Februar stellte die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen gegen Graumann ein. Die Behörde konnte keine Verfehlungen feststellen. „Bereits der objektive Tatbestand ist mangels Vermögensschaden nicht erfüllt“, heißt es in der Einstellungsbegründung. Dem Vermögen der städtischen Einrichtung eher abträglich dürfte dagegen die nun zwischen Graumann und dem KWP erzielte Einigung sein. Die ehemalige Geschäftsführerin hatte jene Zahlungen eingeklagt, die ihr bei „ordnungsgemäßer Auflösung des Dienstverhältnisses“ zugestanden wären. Über die Konditionen des jetzt abgeschlossenen Vergleichs wurde Stillschweigen vereinbart. Ein Annäherungswert: Bereits 2021 wurden 700.000 Euro budgetiert – für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass Graumann zu Unrecht entlassen wurde.

Hacker will sich heute zu der Angelegenheit nicht mehr äußern. Für ihn sei die Causa Graumann abgeschlossen, lässt er wissen.

Deutlich mehr Worte finden sich im kürzlich ausgefolgten Arbeitszeugnis. Darin ist man voll des Lobes für die ehemalige Geschäftsführerin: Sie habe ihre Aufgaben „stets zur vollsten Zufriedenheit erledigt“, ihre Loyalität sei beispielhaft, die von ihr entworfene Organisationsstruktur könne „nur als richtungsweisend für Pflegeeinrichtungen bezeichnet werden“. Es sei ihr gelungen, „kosteneffizient umzustrukturieren und gleichzeitig das Qualitätsniveau beachtlich zu heben“. Preise und Auszeichnungen würden diese „erfolgreiche Reformarbeit“ belegen. Man wünsche ihr für ihre weitere Karriere „alles erdenklich Gute“.

Vielleicht hilft das ja. Denn beruflich hat die 59-Jährige seit dieser Chose kaum mehr einen Fuß auf den Boden bekommen.

* Name von der Redaktion geändert.

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Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).

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